Da steht kein Pferd auf dem Flur

Sonntag, 27. November 2011 17:20

Liebe Andrea,

Rheinischer Sauerbraten gehört definitiv zu den prägenden Erinnerungen meiner Kindheit: Fleisch, was so gar nicht schmeckt wie sonst, süße Rosinen in der sauren Sauce, das etwas verruchte Pferdefleisch aus dem Originalrezept… Auch erinnere ich mich an den (einzigen?) Pferdemetzger in der Kölner Südstadt, der versteckt in einer kleiner Seitenstraße zur nahen Severinskirche seinen Geschäften nachging.

So sehr es mich auch gereizt hätte, zum ersten Mal ein Stück Pferd in die Pfanne zu hauen, habe ich für mich bei meinen ersten Sauerbraten für Rindfleisch entschieden. Dabei lautet doch eigentlich mein Credo, dass die mir liebsten Aggregatzustände eines Pferdes alle mit “S” beginnen: Schuhe, Seife, Salami und eben Sauerbraten. Da ich den Analogen Braten gleich für eine große Gästeschar (12 Personen) kochte, fielen die Vorbereitungen für

Viel Rheinischer Sauerbraten

üppiger aus, als für ein 4-Personen-Rezept: Gleich zwei unterschiedliche Stücke vom Rind, einmal ein Schildstück und einmal ein Stück aus der Rose, brachten ca. 3,5 Kilo Grundzutat auf die Waage. Gottlob passte alles zusammen mit der Marinierflüssigkeit so gerade in meinen Bräter.

Für die Marinade kochte ich 500 ml Rotweinessig mit 2 l Wasser auf. Gewürzt habe ich den Sud mit 18 Nelken, 1 EL Pimentkörnern, 1 EL schwarzen Pfefferkörnern, 1 EL Senfkörnern, 1 EL zerdrückten Wacholderbeeren. Nachdem alles zusammen einmal aufgekocht war, überschüttete ich das Fleisch restlos mit der heißen Flüssigkeit, auf das sich die Poren schließen und ich den gedeckelten Topf für 4 Tage auf den Balkon stellen konnte.

Am Tag der Zubereitung nahm ich das Fleisch aus der Marinade, tupfte es mit einem Küchentuch trocken und erhitzte im ebenfalls trockengewischten Bräter 3 EL Gänseschmalz (die Marinade hatte ich erst einmal in einer Schüssel zwischengelagert). Nach dem portionsweisen Rundherumanbraten beider Fleischstücke kam Röstgemüse in groben Würfeln ins Bratfett: 3 Karotten, ½ Sellerieknolle, 3 Zwiebeln, 3 Lauchstangen, 2 Petersilienwurzeln. Nachdem alles unter Zugabe eines weiteren EL Schmalz rundherum angeschwitzt war, kam nach dem ordentlichen Salzen der erste Fleischgang obenauf und die komplette Marinerflüssigkeit zusammen mit 1 Flasche Rotwein (kräftig) hinterher. Nach ca. 3 Stunden Garzeit auf kleiner Flamme kam das nächste Stück an die Reihe, das erste lagerte in der Zwischenzeit in einer Reine und wartete auf weitere Aufgaben.

Nachdem auch das zweite Stück Braten quasi mit dem Löffel essbar war, rückte ich der Sauce auf den Leib. Zuerst schüttete ich die Sauce durch ein Sieb und strich das weichgekochte Gemüse durch. Danach war erst einmal war Entfetten angesagt, dabei leistete mir meine Fett-Mager-Sauciere große Dienste. Während die Sauce nun bei hoher Hitze aufwallte und sich reduzierte, band ich diese mit ordentlich Mehlbutter ab. Mehlbutter, Verhältnis Butter-Mehl ca. 1:2, verleiht jeder Sauce neben der Bindung auch einen wunderbaren Glanz. Von der Marinade hatte ich schon frühzeitig ein wenig mit Sultaninen beiseite gestellt, die nun mit in die Sauce kamen. Zum finalen Abschmecken griff ich zu einer weiteren rheinischen Spezialität: Zuckerrübensirup. 4 EL davon und ein wenig Meersalz halfen mir dabei, der Sauce die geschmackliche Balance zu verleihen.



Das begleitende Rotkraut (2,4 kg!) kam aus einer (!) Dose, für die Knödel gibt es hier in Bayern Fertigmischungen, die nur noch in Form gebracht und in Salzwasser fertiggegart werden müssen. Mit dem elektrischen Messer und nicht mit einem Löffel in präsentable Form gebracht, kam das Fleisch dann auf den Tisch. Das Schildstück sagte mir von der kompakten Form her mehr zu, geschmeckt haben beide Braten. Sauer und ein wenig nach Heimat und Kindheit.

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Datum: Sonntag, 27. November 2011 17:20
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4 Kommentare

  1. 1

    Na Danke, jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen! 🙁 Naja, bald ist Weihnachten und dann kann ich auch Sauerbraten genießen. 🙂 Sieht super aus! Lg Carolin

  2. 2

    Du hast die Knödel mit einem elektrischen Messer bearbeitet??? Auhhhh 😀

  3. Kerstin Meeresschutz
    Donnerstag, 1. Dezember 2011 16:40
    3

    Vielen Dank – das wird jetzt das zwei Familien-Weihnachtsessen für meine ebenfalls Exil-Rheinländerinnen-Freundin und mich… Aber sagt: „auf kleiner Flamme“ verstehe ich richtig: AUFM Herd und nicht im Backofen, gelle?
    Herzlich von der Nordsee grüßend
    Kerstin

  4. 4

    Liebe Kerstin,
    ganz recht, der Bräter stand auf dem Herd und nicht im Ofen – bei dem Füllgewicht hätte man sicher durchaus ein prima Work-out absolvieren können…
    Beste Grüße,
    Christoph