Das ‚Aspirin der Juden‘

Dienstag, 14. September 2010 17:30

Liebe Andrea,

vor vielen Jahren plagte mich mal wieder so eine dieser absolut unnötigen Erkältungen. Natürlich hatte ich just zu dieser Zeit gerade einen freien Job in einer Agentur, der schließlich ordentlich über die Bühne getextet werden wollte. Da erzählte mir eine ältere Kollegin davon, dass ein mit Gemüse ausgekochtes Huhn nicht nur lecker, sondern ein bei Erkältungen aller Art probates Hausmittel sei. Gerade in Zeiten, in denen man auf dem homöopathischen Ohr immer hellhöriger wird, ein guter Ratschlag. Und schon früher wusste man wohl – so die Kollegin – um die Wirkung dieses Süppchens, das bei ihnen in der Familie das ‚Aspirin der Juden‘ genannt worden sei.

Kurz und gut: ich machte das Süppchen und es ging mir danach tatsächlich etwas besser. Und jedes Mal, wenn’s mal wieder im Hals kratzt oder in der Nase juckt, kommt mir ein Huhn in den Topf und zur Hilfe.

Dazu wird ein kompletter Flattermann mit kaltem Wasser in einem großen Topf aufgesetzt. Das Huhn sollte dabei möglichst komplett mit Wasser bedeckt sein. Erwärmt sich nun das Wasser, steigt peu à peu ein an Gischt erinnernder Schaum auf, den man mit der eben danach benannten Schaumkelle entfernt. Das hilft, das Süppchen später klar zu halten.

Nachdem das Wasser nun ordentlich sprudelt und keine allzu nennenswerte Gischt mehr abzuschöpfen ist, kommt Gemüse dazu: 2-3 geschälte und grob zerteilte Karotten, 1 Knollensellerie, 2-3 Stangen Lauch, 1-2 geviertelte Zwiebeln. Nach Gusto und Verfügbarkeit machen sich auch braune Champignons und Petersilienwurzeln gut in dem Sud. Gewürzt wird alles mit 10 schwarzen Pfefferkörnern, ein paar geschälten Scheiben Ingwer, 2 Lorbeerblättern, 1 Nelke sowie Thymian bzw. Rosmarin. Da die Erkältungszeit tendenziell eher im Winter liegt, kann man hier unbedenklich – man hat ja sowieso einen Kopf, der dick genug ist – zu getrockneten Kräutern greifen. Tja, und dann heißt es: Deckel halb auf den Topf legen, den Herd auf Simmerstufe 1-2 zurückschalten und warten. 2-3 Stunden können zum Auskochen des Huhns schon vonnöten sein. Ganz wichtig: nicht salzen, denn so gelangt ein Maximum an Geschmack aus den Feststoffen in die Flüssigkeit.

Wenn die Suppe dann fertig oder die Geduld am Ende ist, wird alles durch ein Sieb abgegossen. Gemüse und Huhn haben in der Regel ihre Schuldigkeit getan, sämtlichen Geschmack ans Wasser abgegeben, taugen so auch nicht mehr als Suppeneinlage und können entsorgt werden. Die Suppe jedoch ist nun bereit. Bereit, zu helfen, zu heilen, zu wärmen und zu schmecken.

Die heiße Suppe dazu am besten in eine Henkeltasse füllen und mit einer ausreichenden Prise Meersalz würzen. Schlückchenweise trinken, durchatmen, noch eine Tasse nehmen. Früh und viel schlafen. Und am nächsten Tag sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

Die Reste der Hühnerbrühe lassen sich übrigens auch prima mit ein wenig Reis servieren, einfrieren oder als Basis für das eine oder andere Folgegericht verwenden.

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Datum: Dienstag, 14. September 2010 17:30
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